Großes Interesse am Vortrag zur Kleinbahn von Volker Griese in der alten Schmiede
Nicht zu viel versprochen:
Einen faszinierenden Vortrag versprach Jürgen Bucksch, Vorsitzender des Tourismusvereins Holsteinse(h)en e.V. für den 16. Mai in der „Alten Schmiede Bornhöved“: Referent sollte der renommierte Regionalhistoriker Volker Griese aus Wankendorf sein, der über die historische Kleinbahn Kiel-Segeberg vortrug, zu der er im vergangen Jahr auch ein Buch geschrieben hat.
Die Veranstaltung wurde vom Verein Holsteinse(h)en in Zusammenarbeit mit dem Heimatmuseum Bornhöved „De ole Rökerkaat“ und dem Förderverein „Alte Schmiede Bornhöved“ organisiert. Das Interesse war groß, und zu viel versprochen hatte man wirklich nicht…
Bericht von Jürgen Bucksch:
Bornhöved: das lohnende Ziel zwischen Altona und Kiel … Das mögen 1837 einige Planer einer Bahnstrecke zwischen Altona und Kiel gedacht haben – Holstein war damals noch dänisch. Doch es kam anders: Statt über Bornhöved wurden die Gleise über Neumünster geführt. Das war die erste große Chance für Bornhöved gewesen, zum Zentralort im Holstein zu werden.
Die zweite Chance, mit der Bahn zum Verkehrsknotenpunkt in Holstein zu werden, wurde 1.11.1911 mit einem Probebetrieb der Kleinbahn von Segeberg über Bornhöved nach Garden gestartet. Der Transport „von lebenden Personen und Tieren sowie Leichen“ im Normalbetrieb startete am 2.12.1911:
Nach über einem halben Jahrhundert der Planung wurde an diesem ersten Samstag im Dezember 1911 die Inbetriebnahme der Nord-Süd-Verbindung von Kiel nach Segeberg gefeiert. Überall entlang der Strecke glichen sich die Bilder: Gemeindevertreter und Honoratioren der Orte begrüßten den mit Girlanden geschmückten und von einer Dampflok gezogenen Zug.
Schulchöre sangen, in Bornhöved fand ein Festumzug statt. Von diesem Tag an begann für fünf Jahrzehnte der regelmäßige Verkehr auf dieser Strecke. Der Bürgermeister von Bornhöved sprach von einer „Zeitenwende für Bornhöved“.
Doch der Reihe nach: Der Touristenverein Holsteinseen e.V. hatte den Wankendorfer Schriftsteller Volker Griese angefragt, über die Geschichte der Kleinbahn zu berichten, da er dazu gerade den Titel: „Kleinbahn Kiel-Segeberg 1911-1961“ (Broschur: 106 Seiten, Verlag: Books on Demand, Norderstedt 2023, ISBN: 978-3-7578-5211-5, 8,50 EUR) herausgebracht hatte.
Es wurde der 16. Mai 2024 verabredet. Das Heimatmuseum Bornhöved steuerte Fotos und eine alte Eisenbahner-Uniform zu der Veranstaltung bei, und die Alte Schmiede Bornhöved war als Veranstaltungsort fast zu klein für die vielen Zuhörer: Über 80 Interessierte aus den Orten der 19 einstigen Haltestellen der Bahn waren angereist, um dem reich bebilderten Vortrag zuzuhören. Immer wieder ergänzten Zuhörer den Vortragenden: Die Bahn fuhr durch das heutige Gelände von Möbel Kraft in Bad Segeberg oder sie zeigten wehmütig das Haus der alten Tischlerei von Kraft, das abgerissen wurde.
Der Vortrag von Volker Griese machte deutlich, warum im 19. Jahrhundert der Streckenverlauf der Staatsbahn von Altona nach Kiel nicht über Bornhöved sondern über Neumünster geführt wurde: Die hügelige ostholsteiner Landschaft und die mächtigen Herren der großen Güter Ostholsteins verhinderten diese Streckenführung. Die flache Geest und die einfacheren Besitzverhältnisse in Mittelholstein legten Neumünster als Zentralort zwischen Altona und Kiel fest.
Mancher Zuhörer malte sich aus, wie Bornhöved heute mit 80.000 Einwohnern aussehen würde und Neumünster mit 3.500 Seelen. Einen Kuhberg haben beide Ortschaften auch heute noch, nur in Neumünster fehlt im Unterschied zu Bornhöved jeder Berg in der City. Bornhöved war im 19. Jahrhundert bereits ein wichtiger Ort an der Chaussee zwischen Neumünster und Kiel. Außer dieser Verbindung gab es kaum Straßen in der Region.
So erhielt Bornhöved nur eine private Kleinbahn, die von einer Aktiengesellschaft betrieben wurde, denn 1900 entschied der preußische Staat, diese Bahn nicht zu bauen – ganz gegen den Wunsch eines eigens für den Bahnbau gegründeten Bornhöveder Komitees, das sich entschieden für den Eisenbahnbau über Bornhöved einsetzte.
1909 wurde die genaue Strecke der privaten Kleinbahn festgelegt: Das Militär wollte zum Beispiel keine Durchquerung der Gönnebeker Heide. Jede Gemeinde musste Aktien der Eisenbahngesellschaft übernehmen; größter Aktionär war Kirchbarkau mit Aktien für 35.000 Mark, Bornhöved beteiligte sich mit 25.000 Mark. Auch der Staat Preußen übernahm Aktien. Alle Grundbesitzer an der Strecke wurden zur Beteiligung eingeladen. Die Einspruchsverfahren dauerten zwei Jahre bis 1913, als die Bahn bereits im Betrieb war.
Im Betrieb heißt:
Die Schienen wurden ohne Schotter und ohne Schranken verlegt. Erst 1950 gab es eine Schranke in der Lindenstraße in Bornhöved.
Die meisten Haltepunkte hatten keinen Bahnhof.
Die Frachtbeförderung hatte bei GmP-Zügen Vorrang (GmP: Güterzüge mit Personen). Deshalb dauerte die Fahrt auch lange.
Die Geschwindigkeit lag bei 25 km/h, so dass ein Zug, der 6.06 Uhr in Segeberg startete, frühestens um 7.24 Uhr in Garden ankam.
Dennoch war die Zugverbindung das Tor zur Welt:
In Wankendorf baute der Gastwirt Schlüter zum Beispiel einen Tanzsaal für 200 Personen. Seine Cremeschnitten waren überregional sehr beliebt!
Bornhöved hatte zeitweise 13 Gaststätten. Heute gibt es keine Schankwirtschaft mehr im Ort.
Von Kiel setzte ein reger Ausflugsverkehr in unsere Region ein.
Ab 1920 fuhr ein Spätzug um 23 Uhr aus Kiel.
In den ersten vier Monaten des Betriebs wurden 60.000 Fahrgäste befördert.
Torf aus dem Tarbeker Moor oder Werkstücke der Wankendorfer Zimmereien wurden transportiert.
Da in den kleinen Dörfern keine Apotheken existierten, riefen die Ärzte die Königlich Privilegierte Apotheke in Bornhöved an und diese lieferte die Medikamente an die Stationsvorsteher.
1920 fand der Kapp-Putsch auch in Kiel statt. Der Kapp-Putsch, auch „Kapp-Lüttwitz-Putsch“ war ein erfolgloser Versuch rechtsgerichteter Kreise, im März 1920 mit der Unterstützung von Freikorps die Weimarer Republik gewaltsam zu beseitigen. Die Putschisten richteten ein Blutbad unter der Kieler Zivilbevölkerung mit fast 80 Toten und 200 Verwundeten an. Zum Schutz bildeten die Arbeiter eine Arbeiterwehr. Als die Gegenseite unter Konteradmiral von Levetzow nach der Flucht Kapps ihre Gewaltmaßnahmen noch steigerte, kam es zu erbitterten Kämpfen in großen Teilen des Stadtgebiets. Der kommunistische Gärtner Johannes Schlüter organisierte Arbeiter aus Stolpe und Wankendorf zu einem Sonderzug der Kleinbahn Kiel-Segeberg von Bornhöved nach Kiel. In Bornhöved requirierten sie auch Gewehre, aber sie hatten kein Geld für deren Bezahlung.
Die Bahn richtete in den 1920er Jahren für die Wintermonate einen sogenannten „Theaterzug“ ein. Um Bewohnern von Bornhöved und Umgebung den Besuch des Kieler Theaters zu ermöglichen, begann die Rückfahrt an den entsprechenden Tagen um 23.59 Uhr.
1936 nahm die Bedeutung der Kleinbahn durch die Munitionsfabrik in Trappenkamp noch einmal zu. Mit Beginn des 2. Weltkrieges arbeiteten in Trappenkamp 200 Soldaten und 500 Zivilisten, besonders auch Frauen zum Teil gegen ihren Willen, so auch die Großmutter von Volker Griese, die dem Regime ablehnend gegenüber stand.
Die Kleinbahn, besonders die Lokomotiven, war nun dauerhaft überlastet und gestört, fuhr jedoch wirtschaftlich erfolgreich:
Die kleinen Dampfloks konnten regelmäßig kleine Steigungen wie vor Wankendorf nicht überwinden: Die Räder drehten durch, die Zugführer mussten Sand auf die Schienen streuen.
Im Winter 1940 konnte die Bahn bei Temperaturen von bis zu unter 30 Grad eine Woche lang nicht fahren.
Ein Sonderzug mit Flüchtlingen wurde bei Blunk von den Alliierten angegriffen.
Zum Kriegsende fuhr nur noch ein Zug pro Tag nach Kiel.
Mit Beginn der 1950er Jahre verstärkte sich der Betrieb wieder.
Für 30 Pfennige konnte man zum Beispiel von Bad Segeberg zum Baden wie mit einer Straßenbahn an den Ihlsee fahren.
Die Strecke wurde so wieder wirtschaftlich.
1953 wurden Dieseltriebwagen eingesetzt.
Für die Strecke Segeberg – Kiel brauchte der Zug 1,5 Stunden.
Mit dem Baubeginn der B404 im Jahr 1951 erhöhte sich das Frachtaufkommen der Kleinbahn. 1958 war die B 404 fertig, dennoch stiegen die Fahrgastzahlen weiter.
Für die Berufspendler gab es ab 1954 einen Anschluss an den Kieler Hauptbahnhof.
Das Ende der Kleinbahn:
Die betriebsführende Kleinbahn-AG Kiel-Segeberg war am 23. Juli 1911 von der Stadt Kiel, den Kreisen Plön und Segeberg sowie der Eisenbahnbau- und Betriebsgesellschaft Lenz & Co. gegründet worden und hatte eine Lizenz für 50 Jahre Bahnbetrieb Segeberg-Kiel erworben. Die Lizenz hätte erneuert werden müssen. Die Stadt Kiel und die Kreise Plön und Segeberg wollten sich jedoch nicht an der Finanzierung der notwendigen Erneuerungen der Bahn beteiligen. Stattdessen machten die Aktionäre der Kapitalgesellschaft gute Gewinne mit der Abwicklung der Kleinbahn.
Nach 50 Jahren wurde der Betrieb eingestellt.
Alle Bilder zum Bericht von Jürgen Bucksch aus der Veranstaltung.
Bild zur Meldung: Großes Interesse am Vortrag zur Kleinbahn von Volker Griese in der alten Schmiede